DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2025/1141 DER KOMMISSION
vom 27. Februar 2025
zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Anforderungen an Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten für Emittenten vermögenswertereferenzierter Token
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/1937 (1), insbesondere auf Artikel 32 Absatz 5 Unterabsatz 3,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Nach Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 müssen Emittenten vermögenswertereferenzierter Token wirksame Strategien und Verfahren einführen und aufrechterhalten, um Interessenkonflikte zwischen ihnen und bestimmten Personengruppen zu ermitteln, zu vermeiden, zu regeln und offenzulegen. Bei der Umsetzung und Aufrechterhaltung der gemäß Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 vorgeschriebenen Strategien und Verfahren sollten die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Strategien und Verfahren ihrer Größe, ihrer internen Organisation, ihrem Geschäftsmodell und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten Rechnung tragen, gegebenenfalls mit den Gruppenstrategien im Einklang stehen und ausreichend sind, um die Ziele des genannten Artikels wirksam zu erreichen. |
(2) |
Interessenkonflikte ergeben sich aus einer Vielzahl von Situationen, Beziehungen und Verbindungen, da sich die Interessen des Emittenten vermögenswertereferenzierter Token, seiner Eigentümer, seiner Beschäftigten, seines Leitungsorgans, der Interessenträger, von Unternehmen, die derselben Gruppe angehören wie der Emittent vermögenswertereferenzierter Token, und sonstiger Interessenträger bei der Ausgabe vermögenswertereferenzierter Token, ihrer öffentlichen Bereitstellung und ihrer Verwaltung unterscheiden können. Bei der Entscheidung, welche Art von Situationen und Umständen durch ihre Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten abgedeckt werden sollten, sollten Emittenten vermögenswertereferenzierter Token alle Situationen berücksichtigen, die die Fähigkeit des Emittenten vermögenswertereferenzierter Token oder einer mit dem Emittenten vermögenswertereferenzierter Token in Verbindung stehenden Person, unparteiische und objektive Entscheidungen zu treffen, beeinflussen oder beeinträchtigen könnten oder in diesem Sinne wahrgenommen werden könnten. |
(3) |
Die Sicherstellung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung und -verwaltung bei Emittenten vermögenswertereferenzierter Token ist für deren ordnungsgemäßen Betrieb und für das Vertrauen in dieses Segment des Finanzmarktes von grundlegender Bedeutung. Aus diesen Gründen sollten die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten insbesondere jene Konflikte abdecken, die die Fähigkeit der Mitglieder des Leitungsorgans beeinträchtigen könnten, objektive und unparteiische Entscheidungen zu treffen, die im besten Interesse des Emittenten vermögenswertereferenzierter Token, aber auch im Interesse der Inhaber vermögenswertereferenzierter Token liegen. |
(4) |
Die Vermögenswertreserve ist ein wichtiges Element vermögenswertereferenzierter Token, dessen sachgerechte Verwaltung zum Schutz der Inhaber vermögenswertereferenzierter Token beiträgt. Bei der Ermittlung, Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten sollten die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token die potenziellen Interessenkonflikte berücksichtigen, die sich aus der Verwaltung und Anlage der in Artikel 36 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Vermögenswertreserve ergeben, und die Strategien und Verfahren der Emittenten vermögenswertereferenzierter Token sollten diese Aspekte abdecken. Ebenso sollten Emittenten vermögenswertereferenzierter Token potenzielle Interessenkonflikte mit Dritten berücksichtigen, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb, der Anlage oder der Verwahrung des Reservevermögens und gegebenenfalls dem Vertrieb der vermögenswertereferenzierten Token an die Öffentlichkeit erbringen. Aus demselben Grund sollten Emittenten vermögenswertereferenzierter Token Vorkehrungen treffen, umsetzen und aufrechterhalten, um sicherzustellen, dass der Dritte, der eine der in Artikel 34 Absatz 5 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Funktionen bereitstellt, im Einklang mit ihren Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten handelt. |
(5) |
In ihren Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten gemäß Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 sollten die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token die tatsächlichen und potenziellen Interessenkonflikte berücksichtigen, die die Interessen der Inhaber vermögenswertereferenzierter Token sowie die Interessen des Emittenten vermögenswertereferenzierter Token beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten, einschließlich Interessenkonflikten, die sich auf ihre Leistung und Situation und somit indirekt auch auf die Interessen der Inhaber und potenziellen Inhaber vermögenswertereferenzierter Token auswirken können. |
(6) |
Um sicherzustellen, dass die Interessen der Inhaber, potenziellen Inhaber und Emittenten vermögenswertereferenzierter Token ausreichend geschützt sind, sollte der Emittent vermögenswertereferenzierter Token alle tatsächlichen und potenziellen Interessenkonflikte bewerten und beurteilen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu vermeiden oder zu begrenzen. |
(7) |
Transaktionen, bei denen es sich um den Tausch vermögenswertereferenzierter Token gegen einen Geldbetrag oder andere Kryptowerte handelt, einschließlich des Rücktauschs vermögenswertereferenzierter Token, bei dem der Emittent des vermögenswertereferenzierten Token eine der Parteien der Transaktion ist, bergen ein erhöhtes Risiko von Interessenkonflikten und sollten daher sorgfältig dahin gehend geprüft werden, ob sie sich nachteilig auf den Emittenten des vermögenswertereferenzierten Token auswirken können, wenn die Transaktionen im Namen von Personen getätigt werden, die direkt oder indirekt mit dem Emittenten des vermögenswertereferenzierten Token selbst in Verbindung stehen. |
(8) |
Da die in den Vergütungsverfahren, -grundsätzen und -vereinbarungen vorgesehenen Anreize zu Interessenkonflikten führen können, sollten sie ebenfalls überwacht werden, um eine verzerrend wirkende Anwendung zu verhindern, die sich nachteilig auf den Emittenten oder die Inhaber vermögenswertereferenzierter Token auswirken würde. |
(9) |
Um Interessenkonflikte zum Nachteil des Emittenten vermögenswertereferenzierter Token zu vermeiden, sollten die Strategien und Verfahren nach Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 die sorgfältige Überwachung von Situationen sicherstellen, in denen mit Emittenten vermögenswertereferenzierter Token verbundene Personen eine persönliche, berufliche oder politische Beziehung zu einer anderen Person unterhalten, deren Interessen mit denen des Emittenten kollidieren. Solche Beziehungen können die Objektivität oder das Urteilsvermögen der Emittenten vermögenswertereferenzierter Token und der mit ihnen verbundenen Personen beeinflussen. Als persönliche Beziehungen gelten unter anderem Beziehungen zwischen Blutsverwandten oder angeheirateten Verwandten oder soziale Beziehungen, die nicht auf eine eingetragene Partnerschaft oder Ehe beschränkt sind. Zu den politischen Beziehungen können Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Beziehungen zu Regierungsmitgliedern oder anderen Amtsträgern gehören. Berufliche Beziehungen bestehen in einem beruflichen Umfeld, z. B. bei der Arbeit oder in einem geschäftlichen Kontext. |
(10) |
Um das Vertrauen in den Emittenten vermögenswertereferenzierter Token sicherzustellen und diesen vor Reputationsschäden oder rechtlichen Risiken zu schützen, sollten in Fällen, in denen das Risiko von Interessenkonflikten besonders hoch ist und durch die angewandten Strategien und Verfahren, einschließlich interner Systeme und Kontrollen, nicht angemessen vermieden oder geregelt werden kann, weitere zusätzliche spezifische Maßnahmen beschlossen und ergriffen werden, um die betreffenden Interessenkonflikte zu vermeiden oder zu regeln. |
(11) |
Zur Sicherstellung einer allzeit angemessenen Umsetzung, Aufrechterhaltung und Überprüfung sollten die in Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten sicherstellen, dass ausreichende Ressourcen für die Regelung von Interessenkonflikten zur Verfügung stehen und dass die für die Regelung von Interessenkonflikten zuständigen Personen beim Emittenten vermögenswertereferenzierter Token von den Unternehmensfunktionen des Emittenten unabhängig sind. Die zuständigen Personen sollten zudem über die erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Die für die Regelung von Interessenkonflikten zuständige Person sollte in der Lage sein, sich in ihrer Leitungsfunktion und gegebenenfalls in ihrer Aufsichtsfunktion direkt an das Leitungsorgan zu wenden und diesem Bericht zu erstatten. Um eine effiziente Zuteilung und Verwaltung der Ressourcen für die Regelung von Interessenkonflikten sicherzustellen, sollten die Strategien und Verfahren vorsehen, dass die für die Regelung von Interessenkonflikten zuständige Person ausreichend Zeit für diese Aufgabe aufwenden kann, und dass sie jederzeit über ausreichende Ressourcen für eine angemessene Umsetzung, Anwendung, Überwachung und Überprüfung dieser Strategien und Verfahren verfügt. |
(12) |
Um sicherzustellen, dass Inhaber und potenzielle Inhaber vermögenswertereferenzierter Token eine fundierte Entscheidung über die vermögenswertereferenzierten Token treffen können, sollten die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token die Informationen, die gemäß Artikel 32 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2023/1114 gegenüber den Inhabern vermögenswertereferenzierter Token offengelegt werden, auf dem neuesten Stand halten und eine Beschreibung der festgestellten Interessenkonflikte sowie der Maßnahmen zur Regelung oder Vermeidung von Interessenkonflikten bereitstellen. |
(13) |
Um gegenüber den Inhabern vermögenswertereferenzierter Token klarzustellen, in welcher Eigenschaft oder in welchen Eigenschaften der Emittent vermögenswertereferenzierter Token handelt, insbesondere da er häufig in enger Zusammenarbeit mit verbundenen Unternehmen oder Unternehmen derselben Gruppe tätig ist, sollten die in Artikel 32 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Informationen eine ausreichend detaillierte, spezifische und klare Beschreibung der Situationen enthalten, die zu Interessenkonflikten führen oder führen können, einschließlich der Rolle und der Eigenschaft, in der der Emittent vermögenswertereferenzierter Token handelt, und der Angabe, ob der Emittent vermögenswertereferenzierter Token Teil einer Gruppe ist, zu der auch Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen gehören. |
(14) |
Aus demselben Grund und um für einen angemessenen Anlegerschutz zu sorgen, sollten Inhaber und potenzielle Inhaber vermögenswertereferenzierter Token in einer ihnen vertrauten Sprache Zugang zu den in Artikel 32 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Informationen haben. Daher sollten Emittenten vermögenswertereferenzierter Token diese Informationen in einer Amtssprache des Herkunftsmitgliedstaats im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Nummer 33 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2023/1114 und in einer in der internationalen Finanzwelt gebräuchlichen Sprache zur Verfügung stellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung ist Englisch die in der internationalen Finanzwelt gebräuchliche Sprache, was sich jedoch in der Zukunft ändern könnte. |
(15) |
Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich Informationen, die für die Zwecke der in Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten erhoben werden, durch Emittenten vermögenswertereferenzierter Token sollte das Recht der Betroffenen auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß den Artikeln 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geachtet und die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingehalten werden. |
(16) |
Die in Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten und in den technischen Regulierungsstandards dieser Verordnung näher ausgeführten Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten sollten die Übermittlung personenbezogener Daten vorsehen, wenn dies notwendig und verhältnismäßig ist, um eine angemessene Ermittlung, Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten, die für die Inhaber vermögenswertereferenzierter Token oder die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token potenziell nachteilig sind, sicherzustellen, wobei den Grundrechten der verbundenen Personen auf Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten Rechnung zu tragen ist. Im Einklang mit dem in der Verordnung (EU) 2016/679 festgelegten Grundsatz der Datenminimierung sollten die Emittenten vermögenswertereferenzierter Token angeben, welche Kategorien personenbezogener Daten sie verarbeiten werden, um Interessenkonflikte in ihren in Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Strategien und Verfahren in einer Weise zu ermitteln, zu vermeiden und zu regeln, die ihrer Größe und internen Organisation, gegebenenfalls der Gruppe, ihrem Geschäftsmodell, der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten angemessen ist. In den in dieser Verordnung festgelegten technischen Regulierungsstandards werden die Kriterien zur Ermittlung von Kategorien personenbezogener Daten festgelegt, die erforderlich und verhältnismäßig sind, um eine angemessene Ermittlung, Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten, die für die Inhaber oder Emittenten vermögenswertereferenzierter Token potenziell nachteilig sind, sicherzustellen, wobei die Risiken für die Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten der in Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben a bis d und Buchstabe f der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Personen zu berücksichtigen sind. |
(17) |
Die vorliegende Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde übermittelt wurde. |
(18) |
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingesetzten Interessengruppe Bankensektor eingeholt. |
(19) |
Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) angehört und hat am 17. Juli 2024 eine Stellungnahme abgegeben — |
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) ABl. L 150 vom 9.6.2023, S. 40. ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2023/1114/oj.
(2) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1. ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2016/679/oj).
(3) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12. ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2010/1093/oj).
(4) Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39. ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2018/1725/oj).