DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2025/1142 DER KOMMISSION
vom 27. Februar 2025
zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Anforderungen an Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten für Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen und der Einzelheiten und Methoden für den Inhalt der Offenlegung von Interessenkonflikten
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/1937 (1), insbesondere auf Artikel 72 Absatz 5 Unterabsatz 3,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Bei der Entwicklung und Verfolgung der Strategien und Verfahren zur Ermittlung, Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten gemäß Artikel 72 der Verordnung (EU) 2023/1114 sollten die Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten ausreichen, um die Ziele dieses Artikels zu erreichen. Gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 müssen Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen auch den Umfang, die Art und die Bandbreite der erbrachten Kryptowerte-Dienstleistungen berücksichtigen. |
(2) |
Um sicherzustellen, dass die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten im besten Interesse der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen und ihrer Kunden umgesetzt werden, sollten diese Strategien und Verfahren Situationen erfassen, die die Fähigkeit der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen oder mit diesen verbundenen Personen, ihre Aufgaben oder Zuständigkeiten objektiv und unabhängig im Interesse der Kunden und zum Wohle des Unternehmenserfolgs auszuüben, beeinflussen oder beeinträchtigen könnten oder den Anschein erwecken, diese zu beeinflussen oder zu beeinträchtigen. |
(3) |
Gehört der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen zu einer Gruppe, sollten auch die damit zusammenhängenden Umstände berücksichtigt werden. |
(4) |
Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, die Teil einer Gruppe sind, sollten daher Situationen, die aufgrund der Struktur und der Geschäftstätigkeiten anderer Unternehmen innerhalb ihrer Gruppe zu einem Interessenkonflikt führen können, entsprechend klären. Zu diesem Zweck sollten die Strategien und Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten, wenn ein Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen allein oder mit anderen Unternehmen seiner Gruppe mehrere Krypto-Dienstleistungen und damit zusammenhängende Tätigkeiten erbringt, jeglichen Missbrauch verhindern, der sich aus der konzentrierten Kontrolle und der Verwaltung von Transaktionen mit nahe stehenden Parteien, einschließlich Transaktionen, an denen verbundene Unternehmen beteiligt sind, ergibt. |
(5) |
Um Interessenkonflikte zum Nachteil der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen und ihrer Kunden zu vermeiden, sollten die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten die sorgfältige Überwachung von Situationen sicherstellen, in denen mit dem Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen verbundene Personen eine persönliche, berufliche oder politische Beziehung zu einer anderen Person unterhalten. Solche Beziehungen können das objektive Urteil des Anbieters von Kryptowerte-Dienstleistungen und der verbundenen Personen beeinflussen. Als persönliche Beziehungen gelten unter anderem Beziehungen zwischen Blutsverwandten oder angeheirateten Verwandten oder soziale Beziehungen, die nicht auf eine eingetragene Partnerschaft oder Ehe beschränkt sind. Zu den politischen Beziehungen können Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Beziehungen zu Regierungsmitgliedern oder anderen Amtsträgern gehören. Berufliche Beziehungen bestehen in einem beruflichen Umfeld, z. B. bei der Arbeit oder in einem geschäftlichen Kontext. |
(6) |
Damit die Strategien und Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten wirksam sein können, sollten Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen über eine transparente Organisations- und Führungsstruktur verfügen, die ihrer Gesamtstrategie und ihrem Risikoprofil entspricht und für ihr Leitungsorgan, die verbundenen Unternehmen, die zuständigen nationalen Behörden und die Kunden leicht zu verstehen ist. |
(7) |
Eine solide Unternehmensführung und ein kompetentes Management der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen sind von grundlegender Bedeutung, um sowohl ihre Funktionsfähigkeit als auch das Vertrauen in die Finanzmärkte sicherzustellen. Aus diesen Gründen sollten die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten Fälle erfassen, in denen Interessenkonflikte die Fähigkeit der Mitglieder des Leitungsorgans beeinträchtigen könnten, objektive und unparteiische Entscheidungen im besten Interesse des Anbieters von Kryptowerte-Dienstleistungen und seiner Kunden zu treffen. |
(8) |
Die potenziellen und tatsächlichen Interessenkonflikte, die von Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 zu berücksichtigen sind, sollten diejenigen sein, die die Interessen der Kunden beeinträchtigen oder potenziell beeinträchtigen, sowie diejenigen, die die Leistung und Situation des Anbieters von Kryptowerte-Dienstleistungen als solchen beeinträchtigen oder potenziell beeinträchtigen und somit indirekt auch den Interessen der Kunden schaden. |
(9) |
Um für Transparenz in Bezug auf die Maßnahmen zu sorgen, die zur Begrenzung festgestellter Interessenkonflikte ergriffen werden, sollten die Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen die in Artikel 72 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2023/1114 festgelegten Anforderungen an die Offenlegung von Interessenkonflikten erfüllen. Um jedoch sicherzustellen, dass die Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten ihr Ziel erreichen, sollten sich Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen nicht auf die bloße Offenlegung von Interessenkonflikten als Mittel zu deren Lösung beschränken. Daher sollten sie die Offenlegungspflichten zwar erfüllen, aber auch die Ermittlung, Vermeidung und Regelung von Interessenkonflikten sicherstellen. |
(10) |
Die Vergütung von Beschäftigten, die an der Erbringung von Krypto-Dienstleistungen für Kunden beteiligt sind, kann zu Interessenkonflikten führen. Auch wenn Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen ihre Vergütungspolitik im Allgemeinen nach eigenem Ermessen gestalten können, sollten sie sicherstellen, dass ihre Vergütungspolitik und -praxis keine Konflikte zwischen den Interessen der Kunden und denen des Anbieters von Kryptowerte-Dienstleistungen oder verbundenen Personen verursachen und die Fähigkeit der verbundenen Personen, ihre Aufgaben und Zuständigkeiten auf unabhängige und objektive Weise zu erfüllen, nicht beeinträchtigen. Um für eine effiziente und einheitliche Anwendung der Anforderungen im Hinblick auf Interessenkonflikte im Bereich der Vergütung zu sorgen, sollte der Begriff der Vergütung alle Formen von Zahlungen und finanziellen oder nichtfinanziellen Zuwendungen umfassen, die von Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen direkt oder indirekt an Personen geleistet werden, deren Handlungen sich direkt oder indirekt auf die von den Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen erbrachten Krypto-Dienstleistungen oder auf ihr unternehmerisches Verhalten auswirken. Die im Zusammenhang mit der Strategie für Interessenkonflikte umgesetzte Vergütungspolitik sollte sicherstellen, dass Kunden fair behandelt werden und ihre Interessen durch die von den Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen angewandte Vergütungspraxis kurz-, mittel- oder langfristig nicht beeinträchtigt werden. |
(11) |
Für eine angemessene Umsetzung, Aufrechterhaltung und Überprüfung von Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten sollte mit diesen Strategien und Verfahren sichergestellt werden, dass angemessene und intern unabhängige personelle Ressourcen für die Regelung von Interessenkonflikten zur Verfügung stehen. Die betreffenden Personen sollten zudem über die erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Interessenkonflikten verfügen. Aus diesem Grund sollte die für die Regelung von Interessenkonflikten zuständige Person in ihrer Leitungsfunktion und gegebenenfalls in ihrer Aufsichtsfunktion einen direkten Zugang zu dem relevanten internen Meldekanal haben und über diesen Bericht erstatten können. |
(12) |
Um sicherzustellen, dass Kunden eine fundierte Entscheidung treffen können, sollten die Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen die offengelegten Informationen über die allgemeine Art und die Quellen von Interessenkonflikten und die zu ihrer Begrenzung getroffenen Vorkehrungen gemäß Artikel 72 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2023/1114 auf dem neuesten Stand halten. Bei einer solchen Offenlegung sollten die verschiedenen Arten von Kunden, an die sie gerichtet ist, berücksichtigt werden, einschließlich des Umstands, dass diese Kunden über unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. |
(13) |
Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen agieren häufig vertikal integriert oder in enger Zusammenarbeit mit verbundenen Unternehmen oder Unternehmen derselben Gruppe. Damit den Kunden klar ist, in welcher Rolle und Eigenschaft der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen handelt, sollten die in Artikel 72 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Offenlegungen eine hinreichend detaillierte, konkrete und verständliche Beschreibung der Situationen enthalten, die zu Interessenkonflikten führen oder führen können. Diese Informationen sind besonders in Situationen relevant, in denen der Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen sich selbst als Dienstleister für den Tausch von Kryptowerten auf dem Markt positioniert, aber tatsächlich mehrere Funktionen oder Tätigkeiten ausübt oder kombiniert, darunter der Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte, Market-Making, das Angebot von Geschäften mit Nachschussvereinbarung oder die Bereitstellung von Verwahrung, Abwicklung, Kreditvergabe, Kreditaufnahme und Eigenhandel. Um für den Anlegerschutz Sorge zu tragen, sollten die in Artikel 72 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Offenlegungen den Interessenten und Kunden in einer ihnen vertrauten Sprache zur Verfügung stehen. Daher sollten Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen solche Offenlegungen in allen Sprachen zur Verfügung stellen, in denen sie ihre Dienstleistungen vermarkten oder mit Kunden in dem betreffenden Mitgliedstaat kommunizieren. |
(14) |
Das Datenschutzrecht der Union, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (2), gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, einschließlich der Informationen, die im Rahmen ihrer Strategien und Verfahren zu Interessenkonflikten erhoben werden. |
(15) |
Im Einklang mit dem in der Verordnung (EU) 2016/679 festgelegten Grundsatz der Datenminimierung sollten Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen festlegen, welche Kategorien personenbezogener Daten sie verarbeiten werden, um Interessenkonflikte in ihren in Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/1114 genannten Strategien und Verfahren zu ermitteln, zu vermeiden und zu regeln, wobei der Umfang, die Art und die Bandbreite der Krypto-Dienstleistungen und anderer Tätigkeiten, die vom Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen und der Gruppe, der er angehört, erbracht oder ausgeübt werden, zu berücksichtigen sind. |
(16) |
Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) angehört und hat am 17. Juli 2024 eine Stellungnahme abgegeben. |
(17) |
Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, den die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde der Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vorgelegt hat. |
(18) |
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt — |
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) ABl. L 150 vom 9.6.2023, S. 40, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2023/1114/oj.
(2) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2016/679/oj).
(3) Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2018/1725/oj).
(4) Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2010/1095/oj).